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Fuchs sein fetzt doch!

Irgendwie begegnet mir dieses eine Tier, der Fuchs, auf verschiedenste Art und Weise immer wieder in meinem Leben. Und er hat im Laufe der Jahre viel zugenommen. An Bedeutungsschwere.

Mein Vater:

Ich fange einfach mal ganz vorne an. Schon mein Vater hatte eine ziemlich auffällige Gemeinsamkeit mit den roten Hunden. Die mandelförmigen Augen mit dem stets verschlagenen Blick. Liebenswürdig allemal, aber sicher auch sehr frech, so kann man Karlo Liliom sicher gut beschreiben.

Karlo Liliom

Das Ganze hat meine liebe Oma dann auf die Spitze getrieben, als sie ihm noch die passende Garderobe zugelegt hat.

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Mein Vater ist in Ungarn aufgewachsen. So wie hier in Deutschland die Märchen von den 3 kleinen Schweinchen oder dem Hasen und dem Igel zu jeder Kindheit dazugehören, ist es in ungarischen Erzählungen der Fuchs mit dem Wolf. Meistens überlistet das braun-orangene Schlitzohr seinen dunklen Verwandten. Nach seiner Ausbildung fing Papa an, in einem Trickfilmstudio zu arbeiten. Dort zeichnete er an den kleinen Märchenepisoden (Magyar Népmesék), mit denen fast jedes Kind dort aufwächst. So wie ich auch. Genau diese Seite an meinem Vater habe ich auch besonders geschätzt. Er hat so viel Liebe und Charakter in seine Figuren fließen lassen.

Roka Komma

Der kleine Prinz:

„Gewiss“, sagte der Fuchs. „Du bist für mich noch nichts als ein kleiner Knabe, der hunderttausend kleinen Knaben völlig gleicht. Ich brauche dich nicht, und du brauchst mich ebenso wenig. Ich bin für dich nur ein Fuchs, der hunderttausend Füchsen gleicht. Aber wenn du mich zähmst, werden wir einander brauchen. Du wirst für mich einzig sein in der Welt. Ich werde für dich einzig sein in der Welt.“

(Der kleine Prinz, Antoine de Saint-Exupérie)

Vielleicht braucht man ja gar nicht viel mehr Worte, um zu erklären, was so wunderbar an diesem Zähmen ist… Trotzdem finde ich es unglaublich passend, welches Tier sich Antoine für diesen Dialog ausgesucht hat. Ein sehr wildes, freies Tier. Und trotzdem kriegt der Fuchs auch hier wieder eine sehr zarte Rolle.

Käptn Peng:

„Er mag jagen, sie mag sammeln
Er mag denken, sie mag handeln
Er mag Walnuss, sie mag Mandeln
Sie beginnen sich in Füchse zu verwandeln.

Sie fangen an in dem Wald zu wohnen
Ernähren sich von Tauben, von Rinde, von Bohnen,
Sie schwören sich, sich nie zu schonen, um das Beste gegenseitig auch sich rauszuholen. Sie erfinden ein eigenes Land
Tragen Namen die der andere erfand
Jeder lernt was der andere kann, der eine verlor was der andere fand
Sie setzen einander in Brand
Sie jagen einander durchs Land
Jeder spornt den anderen an, sich gegenseitig immer wieder einzufangen.“

(Käptn Peng, Sie mögen sich)

Schon wieder hat sich ein Mann der großen Worte den Fuchs genommen, diesmal um die Beziehung zwischen 2 Menschen zu besingen. Ich sage immer, dass ich auf meinen Pinguin warte. Denn Pinguine bleiben ihr ganzes Leben mit ihrem auserwählten Partner zusammen. Aber wenn ich noch einmal so darüber nachdenke fällt mir auf, wie gerne ich mich eigentlich in einen Fuchs verwandeln würde. Mit meinem Pinguin. Eis und Fisch können mit orangenem Fell und einem warmen Bau im Wald einfach nicht mithalten.

Meine Erinnerung:

Über den Sinn von Tattoos kann man sich gut streiten. Ich vor allem mit meiner Oma. Klar, sobald man 10 Kilo zunimmt wird aus einem Grashüpfer ganz schnell ein Breitmaulfrosch. Und mit 50 findet man das Portrait vom ersten Freund aus dem Sommercamp auf dem Unterbauch bestimmt auch nicht mehr so prickelnd. Aber: Das Gefühl abends im Bett über meine Hüfte zu streichen und zu wissen, dass da mein Fuchs schlummert, das wird sicher nie aus der Mode kommen oder peinlich werden. Egal wie faltig oder verblasst er irgendwann sein wird.

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Der Fuchs ist für mich die Erinnerung an meinen Vater, das Streben nach Freiheit, ein Mutmacher zum frech Sein und schlicht und ergreifend schön.

 

 

Cool

Ted Bundy. Richard Kuklinski. Robert Yates. Wir kennen diese Namen aus den Crime Serien, die ab 22 Uhr nach dem Spielfilm laufen. Der Psychopath. Der Massenmörder in diesem Fall. Gefühlskalt und grausam entscheidet er über Leben und Tod des Opfers und Macht ist das einzige Empfinden, nach dem er ein Verlangen spürt. Sehr spannend. Und auch ziemlicher Unsinn. Der Psychopath ist genau so ein mit Vorurteilen und Klischees beladener Begriff wie der Russe, vor ein paar Jahrzehnten.

 

Das Wort besteht aus den griechischen Begriffen für Seele und Leid. Seelenleid ist schon etwas, das nicht mehr ganz so unheimlich klingt. In der forensischen Psychologie wird die Psychopathie als schwere Form der antisozialen Persönlichkeitsstörung verstanden.  Einem Menschen, der davon betroffen ist, fehlt die Empathie komplett, auch die soziale Verantwortung und das Gewissen sind verkümmert.

Nichts, was man sich als Eigenschaft bei sich, oder bei den Mitmenschen wünscht.

Allerdings ist die Anzahl der Psychopathen, die aufgrund des fehlenden Mitgefühls straffällig werden, wie die oben genannten Musterbeispiele, verschwindend gering.

Tatsächlich ist unsere Welt voll von Menschen mit dieser Störung. Wir sind ihnen mit hoher Wahrscheinlichkeit auch schon oft im Alltag begegnet. Nur fällt das selten auf.

Psychopathen lernen Emotionen und die angemessenen Reaktionen eines Menschen mit einer normalen Gefühlswelt perfekt zu imitieren. So perfekt manchmal, dass viele Betroffene sogar als besonders charmant, charismatisch und liebevoll von ihrem Umfeld angesehen werden.

 

Robert D. Hare ist ein kanadischer Kriminalpsychologe, der Vor allem durch seine Checkliste zur Psychopathie bekannt wurde. Auf dieser Liste findet man eine ganze Reihe an Verhaltensweisen und Eigenschaften, die diese Störung bei einem Menschen bewirkt. Vieles ist negativ belastet, doch man kann durchaus Dinge für sich herausziehen, die hilfreich sein könnten, wenn man selber vielleicht viel zu beladen ist, mit Gefühlen und Emotionen. Oft können die einem erfolgreicheren und einfacheren Leben nämlich ordentlich im Weg stehen.

 

Man kann sich also ruhig mal ganz unethisch mit dem Thema auseinandersetzen, die Pietät sein lassen und ernsthaft überlegen wo ein Psychopath dem Menschen, der sich normal schimpft, vielleicht überlegen sein könnte. Es kommt nämlich gar nicht selten vor, dass sich gerade sehr erfolgreiche Menschen als solche outen.

 

Also hangeln wir uns einfach mal an der Checkliste von Mister Hare entlang und überlegen, was wir vielleicht für unser eigenes Leben lernen könnten.

Trickreich sprachgewandter Blender mit Charme

Eloquent, eloquent, sprach der Elofant. Wortgewandte Menschen kamen schon immer gut durchs Leben. Sie können gutgläubigen Menschen den größten Unsinn als Gold verkaufen. Sogar wenn dieser Unsinn sie selber sind.

Sie sehen weder besonders gut aus, noch haben sie eine Stimme wie Adele oder Muskeln wie Schwarzenegger. Nein, der oben genannte Charme kommt von der Art wie man sich verkauft und präsentiert.

Genau das Verhalten also, bei dem der Normalo sich vermutlich wie ein Hochstapler vorkommen würde. Doch gerade in Situationen wie einem Flirt oder Bewerbungsgespräch kommt dem Menschen ein wenig Blenderei vielleicht sogar zu Gute. Zu viel ehrliche Bescheidenheit tut dem Bild das man abgibt nicht unbedingt gut.

Erheblich übersteigertes Selbstwertgefühl

Und genau so kommt man zu all dem Charme und der glänzenden Selbstdarstellung. Nicht nur die Außenwelt muss glauben, dass man die Sterne vom Himmel holen kann, auch man selber. Ohne Moral und den Zwang sich selbst ständig reflektieren zu müssen, zaubert man auf einmal wahre Hulkfähigkeiten aus dem Hut. Sobald man an etwas glaubt, schafft man es tatsächlich auch mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit. Nur diese dumme Stimme im Kopf, die einem die Realität vorsingt, hält den Hulk-Ballon am Boden.

Mangel an Gewissensbissen

…Kann ja in so vielen Situationen hilfreich sein. Um Mitternacht den Kühlschrank geplündert? Eine Notlüge um auf Arbeit blau zu machen? Mit einem falschen Schnurrbart noch einmal am Probierstand im Supermarkt vorbeigeschlichen um Käse abzustauben? So viele Dinge die das Leben schöner und Dich glücklicher machen. Ohne den Ballast der schlaflosen Nächte, in denen das Gewissen einen plagt, ist der Genuss von dem neuen Light Käseprodukt auf einmal doppelt so leicht.

Stimulationsbedürfnis und ständiges Gefühl der Langeweile

Nach einem Tag voller Arbeit, Hausputz und dem Wocheneinkauf ist der

0815-Mensch komplett ausgelastet. Langeweile ist ein Luxusproblem, denn die Gedanken um all die Probleme und Sorgen des Tages kreisen fröhlich weiter. Wenn diese Sorgen allerdings ausbleiben und man sich um sich selbst kümmert, bleibt eine leere Fläche, die bemalt werden muss. Wie man sich stimuliert, ist natürlich völlig individuell. Aber die Abendstunden nicht mit dem Tatort zu füllen, nur um den Kopf frei zu kriegen, kann das Leben um einiges reicher machen.

Unzureichende Verhaltenskontrolle

Böse Verhaltenskontrolle. Sie verhindert einiges an Spaß. Wie oft greift der Betroffene nicht nach den verbotenen Früchten, die er eigentlich will? So viele Menschen leiden irgendwann in ihrem Leben unter einer Krise, die durch tausend verpasste Chancen in der Vergangenheit zustande kommt? Wer nicht durch emotionale und kulturelle Blockaden gehemmt ist, lebt sich vermutlich um einiges besser aus. Stellen wir uns nur mal vor, ein Psychopath hätte „Eat Pray Love“ geschrieben.

Fehlen von realistischen, langfristigen Zielen

Das erste was man nach dem Abitur hört: „Bewirb dich am besten schon gestern, aber bloß nicht bei den Kreativen, das ist brotlos.“

Es ist kein Wunder, dass die meisten geouteten Psychopathen karrieremäßig sehr weit vorne liegen.

Wenn man tatsächlich kurzfristigere Ziele vor Augen hat, die dem entsprechen, was man kann und gerne tut, kommt der Erfolg oft leichter. Denn immer  wenn der Mensch tut, was er liebt, kommt etwas Gutes dabei raus. Obwohl das Wort „Liebe“ in dem Kontext vielleicht unpassend ist, auch Psychopathen verspüren für viele Dinge unwahrscheinlich hohe Motivationen. Dieses Gefühl kann man wohl am Besten mit der Liebe vergleichen.

Viele kurzzeitige eheähnliche Beziehungen

Ja, Psychopathen haben Beziehungen. Körperliches Verlangen kennen sie und das menschliche Bedürfnis nach Nähe und Zweisamkeit ist auch in ihnen tief verwurzelt. Nur nicht verknüpft mit ganz so vielen Emotionen.

Menschen sollten viel mehr lieben. Gerade kurze, aber eben doch sehr intensive Beziehungen sind leider sehr selten. Viele füllen ihre Singlephasen mit bedeutungslosen One Night Stands. Liebe zu schenken oder sich auf einen Menschen einzulassen, auch wenn am Ende der Geschichte nicht unbedingt der Ehevertrag winkt, ist wagemutig aber erfüllend.

Natürlich waren das nicht alle Punkte auf der Checkliste für Psychopathie. Und alle Punkte sind hier ausschließlich positiv beleuchtet. Da die Gegensichtweise auf Psychopathen und diese Eigenschaften aber ziemlich gängig ist, kann es auch so rum mal interessant sein. Die Störung selber soll hier nicht verharmlost werden, nur ein mit einem Lächeln betrachtet werden. Wir sind umgeben mit psychischen Krankheiten, sie sind völlig natürlich. Warum also nicht vergleichen und von einander abschauen? Genau so leben auch die Psychopathen. Sie imitieren Emotionen und kommen so meist sehr gut durchs Leben. Umgedreht könnte das vielleicht auch ein paar spannende, neue Erfahrungen geben.

 

Bildquelle: Mental Floss