Beiträge

Das geheime Netzwerk der Natur

In Zeiten, in denen wir Menschen die Natur verteidigen sollten, da sie uns nicht mehr in die Schranken weisen kann wie früher, gibt es immer mehr Texte die sie erklären und uns näher bringen sollen. Kaum ein Mensch verbringt in unserem Stadtleben noch genug Zeit im Wald um die Sprache der Pflanzen und Tiere zu verstehen. Umso besser, dass es dann Bücher wie „Das geheime Netzwerk der Natur“ gibt, um uns zumindest in der Theorie die Grundbausteine beizubringen. Immer wenn es um Natur und Entwicklung geht, geht es auch um Philosophie. Wie auch nicht bei einem Thema, das so mit dem Leben verankert ist. Ein Mensch in meinem Leben kommt mir immer sofort in den Kopf, wenn es ums philosophieren geht: Mein Opa. Er hat schon viele seiner Gedanken und Geschichten aufgeschrieben und sogar in Bücher gefasst. Die will er nicht veröffentlichen, sie sind nur für die Familie oder die, mit denen er gemeinsam denken, diskutieren und sprechen will. Seit einer Weile hat ihn jetzt dieses Buch beschäftigt. Und diesmal wollte er nicht nur uns davon erzählen, was für Gedanken es ihn ihm ausgelöst hat, sondern auch dem Autor selber etwas davon zukommen lassen. Leider ist Herr Wohlleben aber selber lieber im Wald unterwegs als alle seine zahlreichen Mails von Lesern abzuarbeiten. (Das sei ihm auch gegönnt!) Deshalb soll aber der Brief von meinem Opa zumindest hier stehen. Los gehts!

Sehr geehrter Herr Wohlleben,

Ihre Ausführungen in „Das geheime Netzwerk der Natur“ habe ich mit begeisterter Zustimmung gelesen. Dadurch angeregt, gebe ich eigene Vorstellungen ergänzend zur Kenntnis.

Aus Ihren Darstellungen ist für mich kein Stillstand, sondern eine stetige Weiterentwicklung ablesbar. Mich hat der Satz „Bewahrung der Schöpfung“ schon immer irritiert. Denn die Schöpfung kann man nicht bewahren. Sie ist von „Natur aus dynamisch“. Und so wirkt sie auch auf unser Tun ein, auf unsere Entwicklung und weit darüber hinaus. Die Darstellung einer fortschreitenden Evolution sollte deshalb aus heutiger Sicht wie folgt aussehen:

….  Atome, Moleküle, Einzeller, Mehrzeller, Pflanzen, Tiere, Mensch, Gestell

Warum „Gestell“? Der Philosoph Martin Heidegger hat die Technik als Gestell bezeichnet. Die Welt verliere durch die Technik an Bezugsreichtum, das Seiende verkomme zum bloßen Rohstoff. Allerdings werde dem Menschen die gewandelte Weltauffassung zunächst nicht bewusst. Es werde technisch immer mehr  möglich. Die zentrale Rolle, in welcher sich der Mensch innerhalb des Weltgeschehens wähne, treibe ihn an, die technische Beherrschbarkeit und Verfügbarkeit immer noch weiter zu steigern.
So wird das Gestell, heute als „digitale Technologie“ definierbar, unaufhaltsam immer dominanter. Es hat sich als „selbständiges Wesen“ entwickelt, als neue Krone der Schöpfung.

Das Gestell, eine gefälligere Bezeichnung dafür ist mir leider nicht eingefallen, ist mit unseren Sinnen nicht als Ganzes erfassbar, wie etwa eine Pflanze, ein Tier oder wie ein Mensch. Wir versuchen uns unbewusst ein Bild von der Existenz des Gestells zu machen,  nehmen aber nur Teilbereiche wahr, wie zum Beispiel den Auto-, Bahn- und Luftverkehr, Maschinen, die wir zwar geschaffen haben, denen wir aber ausgesetzt sind, ohne sie voll und ganz beherrschen zu können. Auch Bauvorhaben können wir nicht immer wunschgemäß umsetzen.
Zudem werden wir mit den Problemen einer rasant wachsenden Digitalisierung konfrontiert.

Trotz allem fungieren wir als lebenserhaltende Kraft des Gestells, sind und fühlen uns als dessen Schöpfer. Und das mit Stolz. Aber sind wir auch dessen Beherrscher?
Wir befinden uns in der gleichen Lage wie die Zellen unseres Körpers. Jede unserer Körperzellen nimmt bestimmte Aufgaben wahr, alleine oder im Verbund mit anderen. Ohne ihre spezialisierte Aktivität würden wir nicht existieren. Man kann wohl davon ausgehen, dass unsere Zellen ebensowenig eine Vorstellung von unserem Körper, dem menschlichen Körper haben, wie „wir als Zellen des Gestells“ eine umfassende Vorstellung vom „Wesen des Gestells“ haben.

Alles in allem Vorgänge, die im Grunde auch auf alle anderen Bereiche der Schöpfung zutreffen.
Wir tun uns schon schwer, unser eigenes, das menschliche Dasein eindeutig zu definieren. Wir sind alle voneinander verschieden. Kein Mensch gleicht exakt dem anderen.
Übrigens gleicht auch kein Busch, kein Baum, kein Grashalm, kein Tier dem anderen.

Wir Menschen pflegen nicht nur Freundschaften, wir gehören unterschiedlichen Familien, Stämmen, Völkern und Kulturen an. Wir konkurrieren auch mit- und gegeneinander, können uns angiften bis hin zu kriegerischen Auseinandersetzungen. Auch unsere Körperzellen verhalten sich vergleichbar nicht anders. Auch sie sind sich trotz höchster Spezialisierung nicht immer einig, gehen eigene Wege, bekämpfen sich untereinander. Dann fühlen wir uns unwohl, werden krank. Natürlich unternehmen wir etwas gegen Krankheiten, dominieren so unser Innenleben weitgehend selbst.
Wo wir uns aufhalten, wohin wir gehen, wie wir uns verhalten, wird dagegen nicht von innen heraus bestimmt. Das tun wir selbst.

Ebenso verfährt auch das Gestell mit uns. Wir bleiben, obwohl wir das Gestell „erschaffen“ haben, es ständig weiterentwickeln und unterhalten, seinen verkehrsbedingten, produktions-, oder datenbedingten Anforderungen untergeordnet.

In Ihrer Veröffentlichung beschreiben Sie anschaulich Probleme der Waldbewirtschaftung. Wir lieben den Wald, schätzen ihn als Urwald. Als Erholungssuchende greifen wir schon mal, wenn auch wenig verändernd, in das ursprüngliche Biotop ein. Erst die kommerzielle Nutzung, die Bewirtschaftung bewirkt nachhaltigere Veränderungen. Gefällte Bäume werden durch Schwerlastfahrzeuge abtransportiert, die durch ihr Gewicht das unterirdische Leben stören. Fachleute wissen das, sprechen darüber. Seit eh und je wird darüber diskutiert. Verändern tut sich nichts. Man könnte wieder Pferde einsetzen. Das aber würde durch das übergeordnete Gestell verhindert. Dieses wird als bislang letztes Glied der für uns im Guten wie im Bösen unaufhaltsam fortschreitenden Schöpfung dafür sorgen, dass immer größere und leistungsfähigere Fahrzeuge gebaut werden, für deren Einsatz auch der Ihrerseits beschriebene tiefzerfurchte Waldweg erhalten bleiben wird.

Wir Menschen dürfen eigentlich stolz sein auf unsere Leistungen, sind aber zunehmend verunsichert
So hat der bekannte Atomphysiker Werner Heisenberg schon früh erkannt, dass sich unserem rational logischen „wissenschaftlichen Denkvermögen“ von Natur aus Grenzen gesetzt sind. Grundprinzip schöpferischer Entwicklung sei deshalb nicht Planung, sondern „Entfaltung“.
Unser Vorstellungsvermögen sei nicht allein durch Logik, sondern durch Gefühle mitbestimmt.
Neben der gern zitierten „naturwissenschaftlichen Wahrheit“ gebe es auch die „religiöse Wahrheit“.

Das waren meine Gedanken nach der Lektüre Ihres Buches. Ich würde mich über Ihre Meinung hierzu freuen.

Fuchs sein fetzt doch!

Irgendwie begegnet mir dieses eine Tier, der Fuchs, auf verschiedenste Art und Weise immer wieder in meinem Leben. Und er hat im Laufe der Jahre viel zugenommen. An Bedeutungsschwere.

Mein Vater:

Ich fange einfach mal ganz vorne an. Schon mein Vater hatte eine ziemlich auffällige Gemeinsamkeit mit den roten Hunden. Die mandelförmigen Augen mit dem stets verschlagenen Blick. Liebenswürdig allemal, aber sicher auch sehr frech, so kann man Karlo Liliom sicher gut beschreiben.

Karlo Liliom

Das Ganze hat meine liebe Oma dann auf die Spitze getrieben, als sie ihm noch die passende Garderobe zugelegt hat.

IMG_20160409_192009

Mein Vater ist in Ungarn aufgewachsen. So wie hier in Deutschland die Märchen von den 3 kleinen Schweinchen oder dem Hasen und dem Igel zu jeder Kindheit dazugehören, ist es in ungarischen Erzählungen der Fuchs mit dem Wolf. Meistens überlistet das braun-orangene Schlitzohr seinen dunklen Verwandten. Nach seiner Ausbildung fing Papa an, in einem Trickfilmstudio zu arbeiten. Dort zeichnete er an den kleinen Märchenepisoden (Magyar Népmesék), mit denen fast jedes Kind dort aufwächst. So wie ich auch. Genau diese Seite an meinem Vater habe ich auch besonders geschätzt. Er hat so viel Liebe und Charakter in seine Figuren fließen lassen.

Roka Komma

Der kleine Prinz:

„Gewiss“, sagte der Fuchs. „Du bist für mich noch nichts als ein kleiner Knabe, der hunderttausend kleinen Knaben völlig gleicht. Ich brauche dich nicht, und du brauchst mich ebenso wenig. Ich bin für dich nur ein Fuchs, der hunderttausend Füchsen gleicht. Aber wenn du mich zähmst, werden wir einander brauchen. Du wirst für mich einzig sein in der Welt. Ich werde für dich einzig sein in der Welt.“

(Der kleine Prinz, Antoine de Saint-Exupérie)

Vielleicht braucht man ja gar nicht viel mehr Worte, um zu erklären, was so wunderbar an diesem Zähmen ist… Trotzdem finde ich es unglaublich passend, welches Tier sich Antoine für diesen Dialog ausgesucht hat. Ein sehr wildes, freies Tier. Und trotzdem kriegt der Fuchs auch hier wieder eine sehr zarte Rolle.

Käptn Peng:

„Er mag jagen, sie mag sammeln
Er mag denken, sie mag handeln
Er mag Walnuss, sie mag Mandeln
Sie beginnen sich in Füchse zu verwandeln.

Sie fangen an in dem Wald zu wohnen
Ernähren sich von Tauben, von Rinde, von Bohnen,
Sie schwören sich, sich nie zu schonen, um das Beste gegenseitig auch sich rauszuholen. Sie erfinden ein eigenes Land
Tragen Namen die der andere erfand
Jeder lernt was der andere kann, der eine verlor was der andere fand
Sie setzen einander in Brand
Sie jagen einander durchs Land
Jeder spornt den anderen an, sich gegenseitig immer wieder einzufangen.“

(Käptn Peng, Sie mögen sich)

Schon wieder hat sich ein Mann der großen Worte den Fuchs genommen, diesmal um die Beziehung zwischen 2 Menschen zu besingen. Ich sage immer, dass ich auf meinen Pinguin warte. Denn Pinguine bleiben ihr ganzes Leben mit ihrem auserwählten Partner zusammen. Aber wenn ich noch einmal so darüber nachdenke fällt mir auf, wie gerne ich mich eigentlich in einen Fuchs verwandeln würde. Mit meinem Pinguin. Eis und Fisch können mit orangenem Fell und einem warmen Bau im Wald einfach nicht mithalten.

Meine Erinnerung:

Über den Sinn von Tattoos kann man sich gut streiten. Ich vor allem mit meiner Oma. Klar, sobald man 10 Kilo zunimmt wird aus einem Grashüpfer ganz schnell ein Breitmaulfrosch. Und mit 50 findet man das Portrait vom ersten Freund aus dem Sommercamp auf dem Unterbauch bestimmt auch nicht mehr so prickelnd. Aber: Das Gefühl abends im Bett über meine Hüfte zu streichen und zu wissen, dass da mein Fuchs schlummert, das wird sicher nie aus der Mode kommen oder peinlich werden. Egal wie faltig oder verblasst er irgendwann sein wird.

IMG_20160524_180816

Der Fuchs ist für mich die Erinnerung an meinen Vater, das Streben nach Freiheit, ein Mutmacher zum frech Sein und schlicht und ergreifend schön.